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DIENSTAG, 16. MÄRZ 2021                                                                                                                                     SEITE 11





                                                        «Statt Fluchtort Schweiz –



                            mehr Hilfe und Menschlichkeit direkt vor Ort»




          Alt Nationalrat Luzi Stamm ist                                                                      sionen – sind in den Herkunfts-  erhielt auf sein «Milliarden-An-
          überzeugt, man muss dort hel-                                                                       ländern selbstverständlich viel  gebot» nicht einmal eine Ant-
          fen, wo jeder eingesetzte Fran-                                                                     tiefer als in der Schweiz. Ex-   wort vom Bundesrat).
          ken unendlich viel mehr Hilfe                                                                       perten sagen, dass bei uns ein
          und Menschlichkeit bringt als                                                                       Mensch durchschnittlich 20  Sie setzen in der Initiative auf
          bei uns. Deshalb hat er die                                                                         mal mehr CO2 produziert als in  Hilfe vor Ort. Wieso ist dies der
          Eidgenössische Volksinitiative                                                                      Afrika.                          richtige Ansatz?
          «Hilfe vor Ort im Asylbereich»                                                                      Humanität: Die Präsidentin des  Man muss dort helfen, wo je-
          lanciert und sammelt jetzt                                                                          UNO-Kinderhilfswerk UNESCO  der eingesetzte Franken am
          Unterschriften dafür. Hier er-                                                                      hat mir zu meinem Erstaunen  meisten Hilfe und Menschlich-
          klärt er, wieso ein Kurswech-                                                                       im  Bundeshaus  gesagt,  es  sei  keit bringt. Es geht doch nicht,
          sel im Asylbereich bitter nö-                                                                       eine Zumutung, dass Europa  dass wie beispielsweise im zür-
          tig ist und wieso es ökologisch                                                                     mehr als 20'000 syrische Ärzte  cherischen Hagenbuch für
          und humanitär sinnvoller ist,                                                                       aufgenommen habe, während  eine einzige eritreische Fami-
          das Geld für die Asylpolitik                                                                        an den Grenzen Syriens (zum  lie mehr als eine halbe Million
          vor Ort zu investieren.                                                                             Beispiel Jordanien und Liba-     Franken im Jahr ausgegeben
                                                                                                              non) in den Hilfszentren medi-   wird. Es geht doch nicht, dass
          Sie haben  zusammen  mit                                                                            zinisches Personal gefehlt habe!  für die Familie des Jugendli-
          einem 10-köpfigen Initiativ-                                                                        Man müsste dringend in inter-    chen, der seine 64-jährige Leh-
          komitee die Eidgenössische                                                                          nationaler  Zusammenarbeit  rerin zusammenschlug und ihr
          Volksinitiative «Hilfe vor Ort»                                                                     Hilfszentren aufbauen, wo echte  auf brutalste Weise den Kiefer
          lanciert. Wie läuft die Unter-                                                                      Flüchtlinge aufgefangen und  brach, im aargauischen Möri-
          schriftensammlung?                                                                                  menschenwürdig untergebracht  ken/Wildegg Jahr für Jahr für
          Luzi Stamm: Leider harzig,                                                                          werden können. Wenn diese  «Sondersetting» etc. mehr als
          weil wegen Corona keine Ver-                                                                        Volksinitiative von der Bevölke-  300'000  Franken ausgegeben
          anstaltungen stattfinden und                                                                        rung an der Urne gutgeheissen  werden.
          man auf der Strasse kaum sam-                                                                       wird, geht die Schweiz mit gu-
          meln kann.                                                                                   Bild: zVg  tem Beispiel voran. Unser Land  Wer steckt hinter dem Initiativ-
                                           Alt Nationalrat Luzi Stamm: «Wir benötigen dringend eine neue Asylstrategie.»  hat aufgrund seiner humani-  komitee?
          Wieso sollen die Stimmberech-                                                                       tären Tradition weltweit einen  Die Initiative stammt aus mei-
          tigten diese Initiative unter-   solche Aktionen durch – nota-    Eintritt in den Arbeitsmarkt  hervorragenden Ruf. Wenn es  ner Hand, moralisch unter-
          stützen?                         bene von einer einzigen Bun-     nicht schafft, verursacht bis  uns gelingen würde, zusätzlich  stützt durch meinen Mu-
          Hand aufs Herz: Wer würde  desrätin im Alleingang angeord-        zum AHV-Alter Sozialhilfe-        den Anstoss für «internationale  siker- Freund aus den al-
          sein Geld für schweizerische  net. Das ist meines Erachtens  kosten von rund einer Million  Schutzzonen für Flüchtlinge»  ten Rock’n’Roll Zeiten – Marc
          Wohnungseigentümer, Juris-       nicht nur absoluter Verhältnis-  Franken.»                         zu geben, wäre dies eine hervor-  Baur. Er lebt schon lange in Ke-
          ten, Übersetzer, Ärzte, Psych-   Blödsinn, sondern auch eine                                        ragende Sache.                   nia und kennt die Verhältnisse
          iater, Sozialarbeiter, Privatleh-  schreiende Ungerechtigkeit  Es ist meines Erachtens unhalt-                                       vor Ort hervorragend. Mit mei-
          rer, «Job-Coaches», «Sonder-     gegenüber den Millionen Men-     bar, wenn jeder Migrant, der in  Was  will  die  Initiative  kon-  nem besten politischen Freund
          settings» etc. ausgeben, wenn  schen, die weltweit verhungern  Chiasso die Grenze überschrei-       kret respektive was wird in der  im Rücken – Nationalrat Lu-
          er 1'000 mal effizienter direkt  oder schwer krank sind und mit  tet und das «Zauberwort Asyl»  Bundesverfassung betreffend  kas Reimann (SVP/SG) – habe
          im Krisengebiet helfen könnte.  ein paar Franken geheilt wer-     ausspricht, faktisch lebens-      Asylbereich geändert?            ich den Text über Monate hin-
          Wer die Millionen von Flücht-    den könnten.                     lang in der Schweiz bleiben  Es wird als Grundsatz statuiert,  weg mit Experten in Bern be-
          lingen oder sogar Hungern-                                        kann. Die Kosten dieser Poli-     dass nicht mehr jeder Migrant  reinigt. Danach suchte ich Ver-
          den  (zum Beispiel in  Äthio-    Mit der Initiative streben Sie  tik sind grotesk, über 10 Mil-     einfach die Schweiz als Flucht-  treter von Hilfsorganisationen.
          pien) weltweit betrachtet, muss  einen Kurswechsel im Asyl-       liarden Franken pro Jahr! Und  ort wählen kann. Vielmehr  Erfreulicherweise machten bei
          sich fragen: Wo würde ich Geld  bereich an. Wieso ist dies not-   dies für wenige «Privilegierte»,  muss  die  Schweiz  in  Zusam-   der Vereinsgründung die in die
          spenden, wenn ich 100, 1'000  wendig?                             denn im Vergleich zu den mehr  menarbeit mit anderen Län-          Schweiz geflüchteten Sadun
          oder 10'000 Franken zur Verfü-   Nach Corona werden die Zah-      als 70  Millionen Flüchtlingen  dern Schutzgebiete schaffen, in  Dara (Syrien), Berhaene Yo-
          gung hätte.                      len wieder steigen. Ein Luzer-   weltweit ist die Zahl der bei uns  denen echte Flüchtlinge mög-    hannes (Eritrea) und Adjei Adu
                                           ner CVP-Regierungsrat hat  Aufgenommenen verschwin-                lichst nahe am Krisengebiet  (Ghana) mit. Zudem gehören
          Oder wenn Sie sogar 5 Millionen  unter dem Titel «Wir brauchen  dend klein.                         in einem zugeteilten Land ge-    zum Komitee die drei Natio-
          Franken hätten: Würden Sie  eine neue Asylstrategie – jetzt»                                        schützt werden können. Mit gu-   nalrätinnen Andrea Geissbüh-
          wirklich  zwei  Flugzeuge  mie-  geschrieben: «Was auf uns zu-    Sie sagen, Ihre neue Asylstra-    tem Willen wäre dies praktisch  ler (SVP/BE), Therese Schläp-
          ten und 170 Migranten in die  kommt, wird die Flüchtlings-        tegie sei ökologisch und ap-      überall möglich. Ein konkretes  fer (SVP/ZH) und Barbara Kel-
          Schweiz fliegen, die dann Jahre  welle von 2015 massiv über-      pellieren an die humanitäre  Beispiel ist die Offerte des ägyp-    ler-Inhelder (SVP/SG), die mit
          und Jahrzehnte den Steuerzah-    treffen.  Wenn  wir uns  nicht  Schweiz. Erklären Sie das kurz.    tischen Geschäftsmannes Sa-      dem Thema am Besten vertraut
          ler mehr kosten werden als der  jetzt darauf vorbereiten, wer-    Ökologie: Der Pro-Kopf-Ver-       wiris, welcher der Schweiz an-   sind.
          gesamte National- und Stände-    den wir davon gnadenlos über-    brauch von Strom, Benzin etc. –  geboten hat, in Ägypten Flücht-
          rat? Weshalb führt die Schweiz  rollt. Jeder 25-Jährige, der den  und somit auch die CO2-Emis-      lings-Dörfer zu bauen (Sawiris                     Interview: CR


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