Page 10 - Limmattaler Woche - KW 16 - 2021
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SEITE 10 DIENSTAG, 20. APRIL 2021
Mit dem Kater zu Berg
Es war einmal… – Rotwein bert Frederick Mummery (1855 Es endete mit dem Wettbewerb, nacht durchgefeiert, Tagwache
und Champagner statt Tee – 1895) und William Augus- wer die leeren Weinflaschen war dann erst um 11 Uhr – mit
und Isostar für die Pioniere tus Brevoort Coolidge (1850 – am weitesten in die Tiefe wer- brummendem Schädel, versteht
des Alpinismus, pfeifenrau- 1926) waren ziemlich trinkfest. fen konnte. Trotz diesem Ge- sich.
chende Bergführer in Fels- Champagner und Wein stan- lage erreichten die Engländer
wänden und Bergsteiger mit den auf ihren Touren höher im am anderen Tag um 9 Uhr den Mein prägendstes Erlebnis eines
einem Stumpen im Gesicht in Kurs als Wasser oder Tee. Und Gipfel, der übergewichtige Al- Alkoholexzesses in den Bergen
überfüllten SAC-Hütten – dies die berühmten Bergführer aus bert Smith als Letzter allerdings war vor über 40 Jahren in der
sind Bilder aus längst vergan- jener goldenen Zeit der Erst- mehr tot als lebendig… Glärnischhütte – allerdings und
genen Zeiten. besteigungen waren vielfach zum Glück nicht als aktiv Be-
pfeifenrauchend in den steilen Feucht-fröhliche teiligter, sondern nur als Zu-
Bergsport, Tabakgenuss und Al- Felswänden unterwegs – denn Jugenderinnerungen schauer. Ich wollte mit einem
koholexzesse, das passt heute das strahlte Sicherheit und In der heutigen Zeit sind solche Kollegen den Glärnisch bestei-
nicht mehr zusammen. Ein Vertrauen aus. hochalpinen Gelage kaum noch gen und wir übernachteten in
Glas Rotwein am Vorabend in denkbar. Aber in den vielen der Glärnischhütte – zusam-
der Berghütte, und am Tag da- Bekanntestes Beispiel eines Al- Bergrestaurants und Alphütten men mit ein paar Festbrüdern
nach ein Gipfeltrunk in Ehren; koholexzesses in den Alpen ist geht auch heutzutage, allerdings aus Zürich. Nach dem Nachtes-
wesentlich mehr liegt heute, in wohl die Montblanc-Besteigung noch vor den Corona bedingten sen war der Teufel los, und un-
einer Zeit, wo Rekorde gefragt Bild: pixabay des damals 35-jährigen engli- Einschränkungen, immer wie- vergesslich war der Moment, als
sind und alles «gesund» und Auf Bergwanderungen sind heutzu- schen Buchautors und Jour- der die Post ab. Ein Beispiel ist einer der Saufkumpanen eine
nachhaltig sein muss, schlicht- tage Sportlernahrung und isotoni- nalisten Albert Smith im Som- das im Jahre 2000 leider abge- Flasche Rotwein in seinen Berg-
weg nicht mehr drin. Es hat kei- sche Getränke «in». mer 1851. Insgesamt umfasste brannte gemütliche Restaurant schuh schüttete und dann den
nen Platz für Getränke und Nah- die fröhliche Truppe vier Bri- auf dem Wildspitz (1580 m), ganzen Inhalt unter dem Ge-
rungsmittel, die nicht grün sind, waren grosse Expeditionen an ten, 16 Bergführer und 20 Trä- dem höchsten Berg des Kantons johle seiner Kollegen leerte,
sondern dunkelrot auf der Am- den Bergen unterwegs, vielfach ger für den Transport der Vor- Zug. Da wurde geraucht und ge- bis zum letzten Tropfen, Fuss-
pel aufleuchten. Sportlernah- betuchte Engländer mit mehre- räte. Dazu gehörten unter an- zecht, was das Zeug hielt. Le- Schweiss inklusive. Am nächs-
rung und isotonische Getränke ren Bergführern und Trägern. derem 60 Flaschen Tischwein, gendär waren die Krummen, die ten Tag bestiegen wir den Glär-
sind «in», die rasch und ohne Neben der sportlichen Leis- sechs Flaschen Bordeaux, 10 zu jeder Wildpitzbesteigung ge- nisch, und als wir am frühen
weitere Zubereitung jederzeit tung nahmen offenbar auch Flaschen Saint-Georges, 15 Fla- hörten, und natürlich der Kaf- Nachmittag wieder zurückkehr-
auf der Tour konsumiert wer- das leibliche Wohl und der schen Saint-Jean sowie zwei fee Schnaps, meistens gleich ten, fanden wir ein paar bleiche
den können. Genuss einen hohen Stellen- Flaschen Champagner und drei mehrere. So hat manch einer Alkoholleichen auf der Hütten-
wert ein. Die Pioniere des Al- Flaschen Cognac. Die 40-köp- zu später Nachtstunde nach terrasse. Fazit: Wie sagte doch
Alkoholexzesse pinismus wie Edward Whym- fige Expeditionsgruppe schlug reichlichem Alkoholgenuss den schon Paracelsus (1493 – 1541):
im 19. Jahrhundert per (1840 – 1911), der Erstbe- ihr Nachtlager auf halbem Weg bei Wind und Wetter nicht ganz Die Menge macht das Gift.
Ganz anders in den goldenen steiger des Matterhorns und am zum Montblanc im Bereich der ungefährlichen Abstieg kaum
Zeiten der Erstbesteigungen Ende seines Lebens vereinsamt Grands Mulets auf, wo sie ein mehr gefunden. Einmal haben
der wichtigsten Alpengipfel. Da und dem Alkohol verfallen, Al- üppiges Bankett veranstaltete. auch wir bis weit nach Mitter- Ruedi Horber
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