Page 11 - Bülacher Woche - KW 20 - 2021
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DIENSTAG, 18. MAI 2021 SEITE 11
«Mehrkosten von 4000 Franken fürs Essen»
Am 13. Juni kommen mit der Trinkwasser- und Pestizidfrei- Landwirtschaft sehr wichtig. Sie
Initiative zwei extreme Agrarvorlagen zur Abstimmung. San- bestäuben viele Kulturen. Unter-
dra Helfenstein, Stv. Leiterin Departement Kommunikation dessen scheiden die Bauernfa-
und Services beim Schweizer Bauernverband, zeigt die nega- milien 190'000 ha Fläche aus,
tiven Folgen auf: Weniger heimische Produkte, mehr Importe, um Lebensraum für Wildtiere
teurere Lebensmittelpreise, mehr Foodwaste sowie der Verlust und -pflanzen zu schaffen. Das
von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung. ist dreieinhalb Mal die Fläche
des Bodensees.
Am 13. Juni stimmen wir über schon viel in diesem Bereich.
die Trinkwasser- und Pestizid- Ganz abgesehen davon, dass die Sie bezeichnen die Trinkwas-
freie-Initiative ab. Der Schwei- einheimischen Bauernfamilien serinitiative als Trojanisches
zer Bauernverband wehrt sich bereits seit Jahren aktiv an Ver- Pferd. Wie denn das?
vehement dagegen. Was sind besserungen arbeiten. So set- Ja, die Trinkwasserinitiative ist
Ihre Hauptargumente? zen sie heute mehr als 40 Pro- eine Mogelpackung. Es geht bei
Sandra Helfenstein: Die beiden zent weniger chemische Pflan- ihr nicht ums Wasser, sondern
Initiativen sind sehr extrem. Sie zenschutzmittel ein, als noch um die Direktzahlungen. Die
stellen Forderungen, welche die vor zehn Jahren. Die Hälfte al- Anforderungen, um diese wei-
regionale Lebensmittelproduk- ler verwendeten Mittel sind sol- Bild: zVg ter zu erhalten sind so unrea-
tion gefährden, Importe fördern che, die auch im Biolandbau zu- Die Bauernfamilien fürchten von billigen Importprodukten verdrängt zu wer- listisch gestellt, dass viele Be-
und die Preise fürs Essen in die gelassen sind. den. Entsprechend gross ist ihr Engagement. triebe darauf verzichten wer-
Höhe treiben würden. Entspre- den. Dann müssen sie auch den
chend wären auch zahlreiche Sie argumentieren auch die Ausland einkaufen. Der Ein- zu all den Schlagzeilen kam. Die ökologischen Leistungsnach-
Arbeitsplätze in der Land- und Pestizidfreie-Initiative bringt kaufstourismus würde also mas- Kantonschemiker geben aber weis nicht mehr einhalten. Das
Ernährungswirtschaft betroffen. weiter Probleme mit sich. Er- siv angekurbelt. schon lange Entwarnung. Es be- wäre dann für das Trinkwasser
klären Sie das! steht keine Gefahr für die Ge- und die Ökologie sogar kontra-
Haben denn diese beiden Ag- Die Pestizidfrei-Initiative trifft Hand aufs Herz: Wie sauber sundheit, unser Hahnenwasser produktiv.
rarinitiativen, die ja unsere Um- nicht nur die Bauernfamilien, sind denn unsere Böden und kann man nach wie vor beden-
welt und Gesundheit schützen sondern auch stark die Konsu- unser Trinkwasser wirklich, kenlos trinken. Und sowieso: Zum Abschluss kurz und bün-
wollen, keinen Mehrwehrt für menteninnen und Konsumen- werden da nicht Grenzwerte Niemand will belastetes Was- dig: Wieso soll man am 13. Juni
die Umwelt und Trinkwasser? ten. Diese hätten im Laden überschritten und zu viele Pes- ser. Es ist unser aller Ziel, die- zwei Mal Nein stimmen?
Für einen besseren Schutz der keine Auswahl mehr. Es gäbe tizide eingesetzt? ses sauber zu halten! Wer weiterhin nachhaltig pro-
Umwelt und des Trinkwassers nur noch Bio. Für eine vierköp- Die Qualität des Trinkwassers duzierte Lebensmittel aus der
brauchen wir die beiden Initia- fige Familie würden die Kosten ist gleich gut wie immer. Was Wie sehr berücksichtigen die Region von guter Qualität und
tiven nicht: Das Parlament hat fürs Essen um rund 4000 Fran- sich geändert hat, ist der Grenz- Bauernfamilien den wichtigen zu bezahlbaren Preisen möchte,
dieses Frühjahr das europaweit ken pro Jahr steigen. Wer sich wert. Dieser wurde von den Be- Faktor Biodiversität? der stimmt am 13. Juni Nein.
strengste Pestizidgesetz verab- das nicht leisten kann oder will, hörden praktisch über Nacht Die Biodiversität und speziell
schiedet. Es geht also sowieso der geht dann im umliegenden massiv verschärft, weshalb es auch die Insekten sind für die Interview: Corinne Remund
«Aging Workforce» fördern, statt abschreiben
Arbeitnehmende über 50: Ihre HWZ Hochschule für Wirtschaft
wertvollste Ressource ist de- Zürich. Pensionierungen ver-
ren langjähriges Erfahrungs- nichten zu oft wertvolle Pra-
wissen, das im intergenera- xiserfahrungen, während der
tiven Austausch die globale rechtzeitige und intergenerative
Wettbewerbsfähigkeit von Wissenstransfer Wettbewerbs-
Unternehmen entscheidend vorteile schafft.
stärkt. Wie aber kann die-
ses Wissen aktiviert, geman- Der globale Innovationsdruck
agt und gewinnbringend ein- ist eine zentrale Herausforde-
gesetzt werden? Dieser Frage rung für Unternehmen mit ten-
sind Dr. Pamela Bethke, Mat- denziell älterer Belegschaft. Ge-
thias Mölleney und Daniela nerationen, die durch den tech-
Strohmeier in einer aktuel- nologischen Wandel unter-
len Studie am Center for Hu- schiedlich sozialisiert sind,
man Resources & Leadership bringen oft Werte und Erwar-
der HWZ nachgegangen. Am tungen in den Arbeitsprozess
Beispiel der Kantonalbanken ein, die unterschiedlicher nicht
in der Deutschschweiz wurde sein könnten. Intergenerativ re-
das Altersmanagement aus levantes Fachwissen muss da-
der Sicht der Mitarbeitenden bei gesichert und nachhal-
beleuchtet. Zwei Drittel zeigen tig verzahnt werden. Schwei-
sich damit zufrieden. Knapp zer Unternehmen müssen die
80 Prozent der Befragten wün- Bild: zVg «Aging Workforce» noch stär-
schen ein Pensionierungsalter Die HWZ Zürich beleuchtet am Beispiel der Kantonalbanken in der Deutschschweiz das Altersmanagement aus der ker in entsprechende Personal-
von 60-65 Jahren. Sicht der Mitarbeitenden. prozesse einbinden. Dazu lie-
fert die Studie von Dr. Pamela
Ein längerer Verbleib der «Aging werden muss. Der sich abzeich- Wissens- und den auch für Schweizer Kanto- Bethke, Matthias Mölleney und
Workforce» in der Arbeitswelt nende Wissensverlust durch den Erfahrungssicherung 50+ nalbanken ergibt», betont Mat- Daniela Strohmeier handlungs-
ist wichtig, um im Rahmen des demographischen Wandel und Die Autorinnen und Autoren thias Mölleney, Leiter des Cen- orientierte Empfehlungen.
Wissensmanagements das Fach- die damit einhergehende Pen- stellen in ihrem HWZ Working ter for Human Resources Ma-
wissen auf nachfolgende Gene- sionierungswelle stellt Unter- Paper zu den Potentialen der nagement & Leadership an der pd
rationen zu transferieren. Ge- nehmen westlicher Industrie- «Aging Workforce» fest, dass
nerationsübergreifende Fach- nationen vor grosse Herausfor- deren Bedürfnisse weniger von
kompetenzen und Erfahrun- derungen. finanziellen Aspekten gesteu- Die HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
gen in heterogenen Teams sind ert werden, sondern vielmehr Die HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich ist Mitglied der Zürcher
für Firmen zunehmend system- Die demographische Asymmet- von Flexibilität und Wertschät- Fachhochschule (ZFH). Mit rund 2'000 Studierenden ist die HWZ
relevante Grössen im globali- rie in Verbindung mit dem ab- zung. «Die Studienergebnisse die grösste Hochschule mit ausschliesslich berufsbegleitenden
sierten Wettbewerb. Die «Aging nehmenden intergenerativen zeigen in aller Deutlichkeit die Studiengängen im Bereich Wirtschaft der Schweiz. Sie offeriert
Workforce» – Arbeitnehmerin- Wissenstransfer und der sin- volks- und betriebswirtschaftli- ein breites Angebot an Studiengängen auf Bachelor- und Master-
nen und Arbeitnehmer über kenden Anzahl Erwerbstätiger chen Vorteile, die sich mit der Stufe sowie, über 100 Diplom- und Zertifikatslehrgänge, die Mög-
50 – steht damit im Fokus, de- verstärkt den Personalwettbe- aktiven Einbindung des Fach- lichkeit zum Doktorat sowie massgeschneiderte Firmentrainings.
ren Fach- und Erfahrungswis- werb zusätzlich, auch und ge- wissens und der praktischen Be- Die HWZ wurde 2016 als erste Hochschulinstitution nach neuem
sen auch nach den individuel- rade bei den Schweizer Kanto- rufs- und Lebenserfahrung der HFKG institutionell akkreditiert. www.fh-hwz.ch
len Pensionierungen gesichert nalbanken. über 50- jährigen Mitarbeiten-